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Transpersonale Psychologie und Psychotherapie
Die Frage des
Monats
März 1999
Mai 1999



Die Frage des Monats April 1999 lautete:

Für was haben Sie sich schon einmal so richtig geschämt?
Welche Bedeutung hat Scham für Sie
und wie gehen Sie mit Ihrem Schamgefühl um?


Auf diese Frage gingen 17 Antworten ein. Herzlichen Dank
für Ihre Beteiligung.

Friedhelm Pielage



Schamgefühl? Kenn ich nicht. Ich weiß - oder glaube immer zu wissen - wie weit ich bei anderen Personen gehen kann. Deshalb brauche ich mich nicht zu schämen oder zu genieren ...

Scham: müßte nicht sein, wenn man die Grenzen von sich und der Umwelt respektiert. In erster Linie wurde den Menschen dieses "Gefühl" von den Kirchenfürsten und anderen von Oben eingetrichtert, um sie gefügig zu halten und um Einfluß nehmen zu können. Im Privatbereich, in der Partnerschaft, Familie usw. braucht es deshalb Scham oder Schamgefühl nicht zu geben.

Ich hab lange nachgedacht, aber mir ist nichts eingefallen, wofür ich mich schon mal "richtig" geschämt hätte.

19.4.99, Manfred (43)


Ich schäme mich heute für etwas, an dem ich nicht schuld bin: Für die sexuellen Mißhandlungen als Kind und die Folgen davon. Die Scham bedeutet für mich, nicht in der Lage zu sein, diesen Berg von Erinnerungen zu besteigen und ihn langsam abzutragen. Trotzdem versuche ich, diese verhängnisvolle Scham zu überwinden. In kleinen Schritten. So wie jetzt.

19.4.99, Peter (30)


Mir fällt es schwer, mich an ein Ereignis zu erinnern, bei dem ich mich so richtig geschämt habe. In Situationen, bei dem ich wahrscheinlich so etwas fühlen sollte, reagierte ich wahrscheinlich meist mit Trotz oder Zorn. Die Scham ist möglicherweise bei mir mit aggressiven Gefühlen überlagert. In den letzten Jahren bin ich kaum noch in solche Situationen gekommen, bei dem ich mich vielleicht geschämt/erzürnt, bzw. wo ich mit Trotz reagiert hätte. Vielleicht ist dieses Thema bei mir noch nicht angesagt. Ich habe mir darüber bisher keine ernsthaften Gedanken gemacht.

19.4.99, Sylvia (39)


Ich habe mich bisher nur vor mir selbst geschämt, wenn ich mich wieder zu feige fühlte das zu sagen, was ich eigentlich wollte! Ich habe dann stets ein schlechtes Gewissen, denn auch ich möchte ehrlich sein und vor mir bestehen können!

Es hat mir aber auch schon viel gebracht und mir gezeigt, daß man sich überwinden kann und das "Selbstwertgefühl" steigt, wenn man sich mal wieder überwunden hat! Also stimmt das Wort von Friedrich von Rückert: "Sich selbst bekriegen ist der schwerste Krieg, sich selbst besiegen ist der schönste Sieg"!

19.04.99, Waltraud (52)


"So richtig geschämt" habe ich mich nur als Kind, und auch das nur selten. Ich war dagegen oft traurig, wenn ich z.B. etwas zerdeppert oder jemandem weh getan hatte. Ich meine: das ist etwas völlig anderes.

Manche Situationen im Leben waren unangenehm, z.B. langes Schlangestehen im Adamskostüm bei der Musterung im Krieg; andere Erlebnisse waren eher ärgerlich, z.B. Zwangslagen, in die ich durch meine eigene Flüchtigkeit und Unaufmerksamkeit geraten bin.

Trotzdem habe ich Verständnis für Scham, weil ich öfters in Verlegenheit gekommen bin. Selbstsicher bin ich nämlich nicht, auch selten geistesgegenwärtig; aber ich suche immer nach einer Lösung. Und wenn sie wichtig ist, finde ich sie auch. Ich meine: wenn eine Lösung wirklich nötig ist. Dazu gehört, sich rechtzeitig aufrichtig zu entschuldigen, wenn man jemanden verletzt hat. Möglicherweise hat dieses Verhalten damit zu tun, daß ich von früh auf, durch meine Eltern und Großeltern, gelernt habe, für meine Mitmenschen Verständnis aufzubringen. Ich bin in der Schule von meinen Klassenkameraden wegen dieser Einstellung oft gehänselt worden (das galt für einen Jungen nicht gerade als normal), bis dann auch ältere Jungen im Internat immer öfter bei mir als 15jährigem einen verständnisvollen Rat gesucht haben.

Die Bedeutung von Schamgefühlen ist aber hoch. Scham bewahrt den Menschen vor Liebesverlust; ebenso aber auch Schamlosigkeit. Es kommt nur darauf an, von welcher Gruppe man abhängig ist. Menschenwürde oder Ganovenehre ...

So also gehe ich mit gelegentlichen Anwandlungen von moralischer Scham um. Wohlgemerkt: Scham wegen eigener oder fremder Nacktheit ist mir fremd. Allerdings gehört dazu auch eine Unbefangenheit, die den Menschen nicht nur als "Sexualobjekt" begreift.

20.4.99, Jean (73)


Jahrelang dafür, daß ich nicht weinen konnte. Als dann meine Oma gestorben war und ich - auf einem Körperarbeitswochenende angeschubst - meine traurigen Gefühle zulassen konnte, kam auch wieder meine Scham: so lange nicht geweint zu haben !

21.4.99, Stefan (37)


Ja, ich habe mich nicht nur "einmal so richtig" sondern oft und mich sehr belastend geschämt. Ich würde mich jetzt und hier wieder schämen, wenn ich die Anlässe dafür, also meine Fehler, öffentlich eingestehen sollte. Schon die Erinnerung an diese Fehler weckt Schamgefühle.

Für mich stellt sich Schamgefühl ein, wenn mein Tun oder Unterlassen oder auch meine Gedanken Normen verletzen, die ich für allgemeinverbindlich halte, und wenn meine Fehler den dadurch Verletzten einzugestehen sind oder anderen bekannt werden, auch schon, wenn sie bekannt werden könnten. Die Scham ist m.E. eine Reaktion auf das Bewußtwerden der begangenen Normverletzung als negative Selbstbewertung, generell wegen des Abweichens an sich, dann wegen der Wirkung der dafür zu tragenden Verantwortung und schliesslich in Erwartung der Reaktion der anderen sich "normal" Verhaltenden.

Das Schamgefühl ist individuell sehr unterschiedlich entwickelt, vom völligen Fehlen selbst in Bezug auf die primitivsten gesellschaftlichen Anforderungen oder die christlichen Grundgebote, bis zur lebensbedrohenden hypersensiblen Selbstüberforderung. Ich stelle mit Grausen fest, daß durch den Mißbrauch vieler Presse- und TV-Medien das "schlichte" Schamgefühl etlicher Zeitgenossen bis zur bis dahin unvorstellbaren Schamlosigkeit deformiert wird, um übersteigerte Geilheit und sich ausbreitende Verblödung bzw. Akzeptanz des Anomalen zu bedienen, nur um "Quoten" zu steigern.

21.4.99, Hans-Harald (76)


Wenn ich mich schäme, so immer aus dem gleichen Grund: weil ich glaube, daß mit mir etwas nicht stimmt. Scham also für mein So-Sein.

Schamgefühle spielten eine große Rolle in meinem Leben. Meine Umgangsform war: verbissenes Aushalten. Aus ganz anderen Gründen habe ich mich der Sitzmeditationspraxis zugewandt. Inzwischen beobachte ich Veränderungen in meinem Verhältnis zu mir selbst. Mein "Charakter" als etwas, über das man durchaus auch lachen kann. Insgesamt ist Scham nicht mehr so wichtig für mich.

Ohne daß ich es beweisen könnte, schreibe ich diese Veränderungen der Sitzmeditation zu. Meine neuen Umgangsformen also: Sitzen mit innerer Freundlichkeit und Humor.

22.4.99, Benno (43)


Im Moment fällt mir keine Situation ein, in der ich mich richtig geschämt habe. Scham ist für mich, nicht zu tun was notwendig war. Ich versuche also immer das zu tun was für mich notwendig ist.

22.4.99, Colmar (35)


Scham ist für mich ein elementares Erlebnis, durch das mein Verhalten tiefgreifend in Frage gestellt wird. Sie holt mich meistens dann ein, wenn ich mich auf Streitereien eingelassen habe oder wenn ich starke positive Gefühle für einen Menschen habe. Nichts motiviert mich mehr, an mir zu arbeiten, als dieses höllische Gefühl. Manchmal muß ich regelrecht eine 'alte Haut' abstreifen, um mich aus dem Schamgefängnis zu befreien. Ich weiß nicht, ob dieses Gefühl nur aus der Erziehung herrührt, oder ob es eine wichtige Funktion für den spirituellen Weg hat. Ich neige mehr zu letzterer Ansicht.

23.4.99, Helga (43)


Es gibt nur eine Scham. Die Scham zwischen den Geschlechtern und der heilige Respekt über die Verschiedenheit. Ansonsten gilt Wilhelm Busch: "Und ist der Ruf erst ruiniert, benimmt er/sie sich ganz ungeniert".

23.4.99, Franz (41)


Ja, mehrfach. Und ich habe diese Scham als sehr unangenehm erlebt. Sie ist für mich mit sehr ausdrücklichen körperlichen Reaktionen verbunden und ich fühle mich sehr nah an mir selbst. Ich versuche mein Schamgefühl anzusprechen, wenn es geht. Leider gelingt mir das noch nicht immer.

24.4.99, Magdalena (52)


Ich schäme mich immer wieder mal. Scham empfinden heißt: an sich selber gestellte Anforderungen nicht erfüllt zu haben und dabei zu glauben, anderen gegenüber Rechenschaft schuldig zu sein. Ich halte Scham für notwendig und zutiefst menschlich.

27.4.99, Markus (25)


Ich kann mich an nichts mehr erinnern, obwohl als Jugendlicher habe ich mich dafür geschämt, wenn ich etwas verrichtet habe, das nicht einwandfrei war. Heute habe ich mir gegenüber diese perfektionistischen Ansprüche nicht mehr. Da diese Schamgefühle weit in der Vergangenheit zurückliegen, ist mein Gedächtnis diesbezüglich sehr schwach.

28.4.99, Luis (45)


Die Frage gefällt mir irgendwie nicht. Es klingt für mich nach Sensationslust. Zuschauen wenn ein "Unfall" passiert, wenn jemandem etwas zustößt.

Schamgefühl ist für mich, wenn man glaubt oder denkt (spielt sich alles im Kopf ab!), etwas nicht so gemacht oder gesagt zu haben, wie es der oder die anderen hören oder sehen wollen. Wenn man wenig Selbstwertgefühl hat, nicht zu sich selbst und zu seinen Bedürfnissen und Fehlern stehen kann.

Es ist nichts schlechtes sich zu schämen, denn es sollte kein gut und schlecht geben, aber es ist etwas sehr intimes, sehr eigenes, sehr unangenehmes. Vielleicht ist das der Grund warum mir diese frage nicht gefällt.

29.4.99, Barbara (33)


Letzte Woche ist es mir vorgekommen, daß ich wissentlich eine falsche Auskunft gegeben habe. Sie hatte keine nachteilige Wirkung für den Betreffenden, doch habe ich mich über diese Lüge geschämt.

2.Nach sexueller Selbstbefriedigung hatte ich mich öfter "geschämt".

Bedeutung: sie ist für mich ein Signal: hier habe ich mich mit etwas nach außen gestellt, oder mich entäußert, auf eine Weise, die mit dem, was ich als mein Innerstes (Gut) empfinde nicht übereinstimmt. Dieses "Innerste" kann erlernt sein (siehe 2) oder tatsächlich meinem Kern entsprechen (siehe 1).

Bei 2. kann ich mich von "gelernter" Scham, die ja einengt, befreien. In Fall 1 bedanke ich mich bei dem Gefühl und schaue, wie, was, warum diese Diskrepanz (Form-Inhalt/Außen-Innen) eingetreten ist und betrachte das Gefühl als Chance, um mich tiefer mit mir selbst, mit der Wahrhaftigkeit zu verbinden.

8.5.99, Jürgen (37)


Richtig geschämt habe ich mich, als ich meinen geliebten Lehrer angelogen habe. Und ich wußte, daß er es weiß. Seitdem gehe ich sehr bewußt mit Wahrheit, meiner Wahrheit, die nicht unbedingt auch die Wahrheit eines anderen sein muß, um. Ich sehe seit geraumer Zeit keinen Grund mehr mich zu schämen, da ich mich verstehen gelernt habe. Und selbst wenn ich mal "Scheiße" baue, nehme ich mich in den Arm und versuche die Angelegenheit zu bereinigen. Dazu gehört auch, daß ich anderen gegenüber eingestehen kann, daß ich und warum ich so gehandelt habe.

12.5.99, Vedanta Julia (50)



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© 1999 Friedhelm Pielage