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Die Frage des Monats |
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Die Frage des Monats Februar 1998 lautete:
Auf diese Frage gingen 13 Antworten ein.
Herzlichen Dank für die Beteiligung.
Friedhelm Pielage
Die Unterscheidung der beiden Erfahrungsweisen ist nur eine Frage der Betrachtungsweise. Man muß nicht unbedingt unterscheiden. - Wer nimmt sich denn das Recht und will entscheiden (und mit welchen Entscheidungsgrundlagen?) was letztendlich pathologisch ist und was nicht? Wer kann als außenstehender wirklich erkennen, in was für Bewußtseinsebenen andere Menschen sich gerade befinden? Ich bin der Meinung: Wenn man pyscho-pathologische Erfahrungen ernst nimmt, werden sie zu mystischen.
11.2.98, Harald (40)
Ich hatte schon etliche mystische Erfahrungen: ich besuche Kraft- und Kultplätze im Inland und auch im Ausland, habe kraftvolle Freund(e)Innen, mit denen ich schon "mystische" Erlebnisse hatte. Doch was ist psycho-pathologisch? In Krankenhäusern gibt es Pathologien, da werden Leichen aufgeschnitten, hat der Begriff was mit "Seele aufschneiden" zu tun?? Ich verstehe das anscheinend etwas nicht ganz .......
12.2.98, Manfred (42)
Im Realitätsbezug. In einer mystischen Erfahrung erlebe ich ein harmonisches, konfliktfreies Eingebundensein in ein größeres Ganzes, bei ungestörtem, vollständigem Realitätsbezug. In einer psychopathologischen Erfahrung ist dagegen der Realitätsbezug gestört: entgegen dem subjektiven Erleben bestehen dann sehr wohl akute Konflikte, die ich nur nicht wahrnehme.
Ausspruch des Mannes, bei dem ich meditieren gelernt habe: "Wenn Du in Ekstase bist, mußt du ohne Zögern richtig auf die Frage antworten können, wo in der Küche Zucker und Salz stehen. Kannst du das nicht, dann bist du nicht wirklich in Ekstase, sondern einfach nur teilweise weggetreten."
12.2.98, Walter (49)
Es kommt drauf an, was man draus macht, bzw. auch nicht macht. Die Erfahrung selbst scheint mir identisch zu sein. Ich denke - und habe es an mehreren Stellen bei Ken Wilber und Johannes vom Kreuz gelesen - daß der Unterschied darin liegt, welches Aufheben derjenige, der die Erfahrung macht, daraus macht. Mystische Erfahrungen sind für mich solche, die integriert werden in dem Sinne, daß das Erlebnis trotz seiner subjektiv empfundenen Spektakularität weder "publiziert" wird, noch für etwas "Besonderes " erachtet wird, aber eben aus sich heraus wirkt !
13.2.98, Johann (42)
Bei mystischen Erfahrungen wird den Menschen geglaubt, daß sie keine psychopathologischen Erfahrungen haben. In Wirklichkeit gibt es keinen Unterschied.
13.2.98, Karl (34)
Je nachdem, wie man die Begriffe "mystische Erfahrung" und "psycho-pathologische Erfahrung" definiert, unterscheiden sich die Begriffe bzw. ähneln sie sich oder sind sie sogar identisch. Von einer extrem mechanistisch-materialistischen Position aus betrachtet, ist jede "mystische Erfahrung" etwas "Krankhaftes", d.h. Psycho-Pathologisches. Differenziertere Einschätzungen findet man innerhalb der verschiedenen idealistischen Positionen.
Gemeinsam ist der mystischen und der psychpathologischen Erfahrung, daß sie beide "un-normal" (das Wort ist wertneutral gemeint) sind, d.h. dem Normalbewußtsein nicht so ohne weiteres zugänglich. Wichtig ist, daß man sich bei einer Bewertung der jeweiligen Erfahrung (d.h. ob "mystisch" oder "psycho-pathologisch") folgendes genau anschaut:
1.) Um was für eine Art des Erlebens handelt es sich?
2.) Was sind die Grundeigenschaften des Erlebens?
3.) Was ist der Hintergrund des Erlebens?
Zu 1. gehören a) die verschiedenen Arten von Empfinden und Wahrnehmen (Hypalgesie und Hypaestesie, Subjektive Levitation, Durchströmungserlebnisse, Lichterlebnisse, Affektprojektionen, Realitätsgewißheit), b) das Vorstellen und Denken (Visionäre Erlebnisse, Hyponoische Erscheinungen, Wahnähnliche Bildungen), c) Fühlen und Werten (Vitalgefühle, Seelische Gefühle [d.h. angenehme/unangenehme Zustandsgefühle], Werten/Abwerten), d) Triebe, Streben und Wollen (Sexualtrieb und Liebe, Triebabnormitäten, Wollen und Streben).
Zu 2. gehören a) der große Komplex des Ich-Erlebnisses sowie b) das Zeiterlebnis. Zum Ich-Erlebnis sollen hier nur die Depersonalisationsphänomene und die Aufhebung der Subjekt-Objekt-Spaltung genannt werden. Der Komplex ist sehr groß und kann hier nicht weiter dargestellt werden.
Die Grenzen zwischen mystischer und psycho-pathologischer Erfahrung sind fließend. Man muß sich den Einzelfall sehr genau anschauen.
14.2.98, Gunter (53)
In der gesellschaftlichen Bewertung. Betreffen Wahngedanken, Halluzinationen u.ä. kulturspezifische Inhalte werden sie eher als "mystische", i.d.R. religiöse Erlebnisse akzeptiert. Weiterhin könnten "mystische" Erfahrungen auch nur einmalige psychotische Episoden sein, bei ansonsten völlig Gesunden, die daher wohl eher selten in psychiatrische Behandlung gelangen. Grundsätzlich sehe ich aber keinen Unterschied, außer den der unterschiedlichen Bewertung. :-))
14.2.98, Karl (32)
Beide Erfahrungen überspannen den "Bogen" der Normalität, d.h. des normalen inneren geistigen Zustandes, aber der gewöhnlichen Gedankenwelt des zoon politicon bzw. des "sozialen Tiers", das der Politiker als Tier aufrechterhalten will. Der mystisch Erfahrende schafft es allerdings, diese Erfahrungen zu verkraften, aufzunehmen und sogar umzugestalten. In manchen Fällen gelingt es ihm, gleichzeitig die Rollen des schauspielerischen Darstellers und des Zuschauers oder des nüchternen Beobachters zu übernehmen. Hingegen zerstören diese Erfahrungen das innere Gleichgewicht des psychopathologisch Erfahrenden. Er hält sich dann für eine "anti-soziale" Persönlichkeit. Dann rennt er zum Arzt oder zum Nachbarn und läßt sich für "verrückt" bzw. krank erklären. Er stellt fest, daß er nicht so ist wie "alle anderen" und fühlt sich äußerst unwohl dabei. Das hat zur Folge, daß er lauter Selbstbezichtigungen gegen sich selbst leistet. Er wird zum "schuldunfähigen Verurteilten" und läßt sich von den "Sachverständigen" verstümmeln. Aus sozialmedizinischer, völkischer und volksgesundheitlicher Sicht ist er deswegen "krank", weil er nicht sozial anpassungsfähig ist. Aber für den Menschen als höheres Wesen ist die soziale Angepaßtheit mit dem seelischen Tod gleichzusetzen.
Der Mystiker dagegen bleibt stabil, neutral und - wenn er wirklich geübt ist - kann sogar umsichtig werden. Werden diese Erfahrungen mit Selbstmordgefährdung in Verbindung gesetzt, dann ist es für beide - den Mystiker und den psychopathologischen Grenzfall - deswegen gefährlich, weil heutzutage kein Mensch - einschließlich der Ärzte - weiß, was Selbstmord, wie er verursacht und wie er veranlaßt wird. Z.B. im Judentum wird - im Gegensatz zum Christentum - Selbstmord nicht in allen Fällen als Sünde (d.h. Verstoß gegen göttliche Gebote) angesehen. In manchen Lebenslagen gibt es sogar nach dem Jüdischen Lexikon vom Jahre 1930 ein "Selbstmordgebot".
Heutzutage kommen solche Fällen im Leben des Einzelnen selten vor. Man muß vielmehr fragen, ob Selbstmordfälle wirklich "freiwillig" bzw. ohne äußere Einflußnahme vorkommen oder ob es nicht sogenannte "überlebensfeindliche" bzw. suizidogene Elemente gibt, die Anlaß für eine Selbstmordgefährdung für den einen oder den anderen geben.
15.2.98, Luis (44)
Sie unterscheiden sich im Leiden des betroffenen Menschen, unter einer psychopathologischen wird er wahrscheinlich leiden, unter einer mystischen nicht.
18.2.98, Christopher (35)
Sie ähneln sich darin, daß sie den Rahmen des "Normalen" sprengen, sie unterscheiden sich dadurch, ob diese Sprengung fruchtbar oder schädigend (nach)wirkt.
20.2.98, Ralf (39)
Verbindend wirkt bei beiden 1. Die Schwierigkeit, mit einer echten Vision (der Empfänger weiß das) von der Gesellschaft (allein schon den nächsten Angehörigen) anerkannt zu werden. 2. Daraus folgen Selbstzweifel, weil der Mensch auf mystische Erfahrungen heute noch weniger als früher vorbereitet wird.
Unterschiede: - Kein Leidensdruck bei mystischen Erfahrungen, allenfalls beim Durchbruch dorthin (Katharsis) - Positiv erfahrene Leitgestalten als Botschafter im Gegensatz zu "Stimmen" oder "Dämonen" wahnhafter Erfahrungen - Zweifel sind beseitigt, was die Vision an sich betrifft. - Wenn Zweifel bleiben, kann es sich um eine positiv gefärbte Wahnvorstellung handeln. Dämonen können auch wie Götter auftreten. - Nachwirkung als Stärkung der Lebenskraft und Tüchtigkeit. Psychopathologische Erfahrungen verwickeln auch dann, wenn sie angenehm sind, in Tagträume und erzeugen Realitätsferne. Mystische Erfahrungen erhöhen die Bereitschaft, sich mit der irdischen Realität auseinanderzusetzen, vor allem, wenn sie als selbstgewählte Aufgabe begriffen werden oder als gut zu lösende Prüfungsaufgabe Gottes.
23.2.98, Eva (48)
Wichtig scheint mir die Qualität des Bewußtseins des Wahrnehmenden. Ein Mensch kann von außersinnlichen Wahrnehmungen überflutet, letztlich gequält werden, er kann diese aber auch ganz bewußt wahrnehmen und evtl. sogar beeinflussen. Bei psycho-pathologischen Erfahrungen vermute ich eher ein Aufbrechen verdrängter traumatischer Erinnerungen und Erfahrungen biographischer, z.B. frühkindlicher Natur, bei mystischen transpersonale Erlebnisse und Erfahrungen, die mit der Lebensbiographie (zumindest nachvollziehbar) nichts zu tun haben. Ein Kennzeichen einer mystischen Erfahrung ist wohl auch eine positive tief innere Wirkung, ein neues Seinsgefühl. Eine mystische Erfahrung überwältigt, eine psychopathologische vergewaltigt?
24.2.98, Thomas (29)
Ich glaube, daß es auf die Erfahrung selbst gar nicht ankommt, d.h. ein und dieselbe Erfahrung kann pathologisch oder nicht sein, je nachdem wie gesund die entsprechende Person ist oder wirkt. Wenn sich die Person in ihrem sonstigen Verhalten innerhalb gesellschaftlichen Normen bewegt, hatte sie eine mystische, beachtenswerte Erfahrung. Ist der Gesamteindruck der Person eher fragwürdig, sind deren Erlebnisse dem psycho-pathologischen Bereich zuzuordnen und somit mehr oder weniger für andere Menschen wertlos. Die Schlußfolgerung wäre also, daß zwischen mystischer und psycho-pathologischer Erfahrung in diesem Sinne kein Unterschied besteht.
25.2.98, Rainer (36)