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Transpersonale Psychologie und Psychotherapie
Die Frage des
Monats
November 1997
Januar 1998



Die Frage des Monats Dezember 1997 lautete:

Glauben Sie, daß Leiden einen Sinn hat?


Auf diese Frage gingen 23 Antworten ein.
Herzlichen Dank für die Beteiligung.

Friedhelm Pielage



Ja, Leiden ist ein Weg, neue Erkenntnisse zu gewinnen.

8.12.97, Sylvia (43)


Ja. Warum haben sonst so viele Masochisten auf unserem Erdball so viel Spaß am Leiden? Danke.

8.12.97, Fabian (16)


Zwei Teile der Antwort:
Sinn mit Bedeutung "Ursache" - rückblickend
Sinn mit Bedeutung "Ziel" - vorausschauend

"Ursache": Leiden ist meiner Meinung nach verursacht durch meine Disposition, selber Leiden verursacht zu haben - im Sinne der Karma-Lehre. Somit sind Ursache und Wirkung sinnhaft verknüpft durch mein eigenes Bewußtsein und die Auswahl,

"Ziel": Leiden geschieht nicht zielgerichtet, ich habe nicht vor, mir selber die Aufgaben zu stellen, an denen ich wachsen "will". Ich kann nur in Leiden einen Sinn sehen, wenn ich es als Lektion verstehe, um
Sich gezielt Leiden aufzubürden, für das keine Notwendigkeit besteht, ist für die Entwicklung nicht hilfreich, es sei denn, man entlastete dadurch konkret einen anderen.

8.12.97, Eva (48)

NEIN, Leiden ist vorbei. Wir sind schon fast im Wassermann-Zeitalter und da gibt es Liebe, Frieden, Licht, Freude. Von allen Kreuzen soll der leidende Jesus endlich abgenommen werden und verkündet werden, es gibt kein Leid und keinen Schmerz mehr. Das war einmal - nun sind wir auf dem Weg ins neue Zeitalter, zur ERLEUCHTUNG. Findet die Liebe in Euch.

8.12.97, Manfred (42)


Um diese Frage beantworten zu können, müssen m.E. drei Fragen vorher geklärt werden.

1. Was ist mit "Sinn" gemeint?
"Eine Bedeutung?" "Eine Bestimmung"? Ein "Zweck"? Ein "Ziel"? Vielleicht gar so etwas wie "Nutzen"?

2. Nächste Frage: Sinn für wen? Für das Subjekt, welches das Leid unmittelbar erfährt? Oder für eine bestimmte Gruppe/Gemeinschaft von Menschen, zu der der Leidende dazugehört? Oder für die Evolution der Menschheit insgesamt? Oder für eine angenommene geistige Welt oder geistige Wesen, Götter oder dergleichen?

3. Schließlich: Leiden und Leiden kann bekanntlich zweierlei sein. Leid in erträglicher Quantität und Qualität kann zwar als schmerzlich empfunden werden und dennoch nützlich sein. Es kann die Widerstandskräfte des Menschen mobilisieren. Es kann die Selbstheilungskräfte stärken. Wird ein bestimmtes Maß überschritten, dann wird Leiden destruktiv, zerstörerisch, im Extremfall tödlich.

Leiden hat m.E. aber auch eine Dimension, die über das Ego hinausgeht. So können Eltern z.B. für ihre Kinder große Anstrengungen aufbringen, die durchaus leidvoll sein können. Es gibt Eltern, die rackern sich total ab für ihre Kinder. Ihr Leben ist voller Entbehrungen, Schmerzen ... Sie nehmen das alles auf sich, weil sie nur für ihre Kinder leben. Der Sinn ihres Lebens sind die Kinder. Ob diese selbstgewählte Sinngebung vernünftig ist, mag dahingestellt bleiben. Ähnlich verhält es sich bei Menschen, die Leid auf sich nehmen, weil sie sich mit bestimmten Ideen, Idealen, Ideologien, Weltanschauungen, Religionen, Sekten, "Volk und Vaterland" usw. zu stark identifizieren. Auch hier stellt sich die Frage, ob das vernünftig ist.

Welchen Sinn hat der Alzheimer für denjenigen, den er heimsucht? Welchen Sinn hat die Ausrottung der indigenen Bevölkerung des vorkolumbianischen Amerikas? Welchen Sinn hatten die Todeslager (Gulag) und die
Vernichtungsorgien des Stalinistischen Systems? Welchen Sinn hatte Auschwitz? Welchen Sinn haben Kriege?

Das leidende Subjekt wird in dem Leiden oftmals keinen Sinn für sich selbst erkennen können. Vielleicht danach, falls es ein Danach gibt. Oftmals aber auch das nicht.

Dennoch muß Leiden deshalb nicht sinnlos sein. Jenseits der Ego-Wahrnehmung kann in größeren Zusammenhängen durchaus ein Sinn deutlich werden. Aber auch dort, wo dieser Sinn nicht offensichtlich ist, kann es ihn geben. Er kann in Zusammenhängen verborgen sein, die nur schwer oder gar nicht zu durchschauen sind.

Für den Leidenden ist es sicherlich eine große Hilfe, in seinem Leiden an einen Sinn zu glauben. Dadurch kann das Leiden erträglicher werden. Damit ist nicht gemeint, daß man sich selbst belügen soll. Nicht Selbsthypnose. Der Glaube an die Sinnhaftigkeit allen Leidens ist nicht weniger wahr oder falsch wie der Glaube an das Gegenteil. Die Frage ist letztlich eine Standpunktfrage - und keine Frage des Wissens. Derjenige, der an einen Sinn glauben kann, ist aber vermutlich besser dran.

9.12.97, Gunter (53)


Nein, Leiden hat prinzipiell keinen Sinn - zumindest keinen erkenn baren Sinn, jedenfalls nicht für denjenigen, der/die/das das Leiden empfindet. Und nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem er/sie/es das Leiden als Leiden empfindet. Genau darum wird das Leiden ja als Leiden empfunden.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen: Ein Sadist (Gott, z.B.) empfindet natürlich etwas anderes als Leiden als ein Masochist (ein Mensch, z.B.). Das ist damit hoffentlich klar.

9.12.97, Tim (51)


Jeglicher Schmerz und jegliches Leid sind meiner Meinung nur dazu da, um daraus zu lernen. Schaut man sein Leid an und geht an den Ursprung dieses Leides, kommt man zur Selbsterkenntnis und zu den tiefsten Punkten seiner Seele. Es wäre schön, wenn dies auch ohne Leid klappen könnte, aber dann wären wir hier nicht auf Erden. "Leid ist das schnellste Roß, daß Dich zur Vollkommenheit führt" (Meister Eckehart).

Wenn wir nicht bereit sind auf dem Weg der Selbsterkenntnis voranzuschreiten, kann es geschehen, daß wir im Leid steckenbleiben. Und so erschaffen wir wieder neues Leid. Die Leidenserfahrungen sollen uns dabei unterstützen, unsere Begrenzungen hinter uns zu lassen, aufzuwachen aus der Unbewußtheit, aus der Welt der Illusion. Leid ist zum Wachsen da.

9.12.97, Ute (32)


Ja.
Niemand sucht ja Leid. Wenn jemand Schmerz sucht, ist es kein Leid. Leid ist per definitionem etwas, das man nicht will. Leid wird oft als sinnlos angesehen. Aber schweres Leid zu erleben, ohne einen Sinn darin zu finden, macht es noch schwerer. So bekommt der Sinn, den man in dem Leid findet, einen eigenen Zweck.

Darüberhinaus finden viele Menschen, die durch Leid gegangen sind, eine Art Demut und Frieden, Abgeklärtheit und einen "tieferen" Zugang zu Fragen des Lebens. Das würde ich auch als einen Sinn erkennen.

Daß man im Nachhinein einen Sinn findet, soll aber nicht bedeuten, daß man das Leid dadurch rechtfertigt! Andere Menschen werden durch anhaltendes Leiden verbittert und verschlossen. Kann das auch ein Sinn des Leidens sein?

9.12.97, anonym (?)


Ja, denn leiden heißt leben. Wenn ich keinen 'Schmerz' empfinde, dann bin ich tot. Und wenn ich nicht leiden kann, kann ich mich auch nicht ärgern oder freuen, wäre also gefühllos und damit mehr etwas in Richtung Maschine. Und Schmerz bedeutet auch verletzlich zu sein (und sterblich).

10.12.97, Karsten (33)


Eigentlich nein. Ziel des Lebens ist m.E., so wenig wie möglich zu leiden. Nur in der Leidfreiheit ist die Seele am empfangsbereitesten und auch am gesündesten. Dabei soll der zeitgenössische Mensch mehr als die buddhistische Leidfreiheit anstreben, denn sie wird teilweise durch die seelische Selbstverstümmelung verwirklicht. Es gilt vielmehr, das Lebendige aufleben zu lassen, ohne dabei das seelische Gleichgewicht zu verlieren.

Wir müssen uns selbst entdecken, Psychonauten werden und uns dabei als Seelenlotsen im Tantra-Kloster entwickeln. Dadurch ist die Öffnung zu Gott, die Verbindungslinie zum Göttlichen weit, leistungsstark und störungsfrei. Nicht zu vergessen dabei ist die Präsenz in der Welt aufrechtzuerhalten. Bodenständig mit einem Fuß, ätherisch mit dem anderen.

11.12.97, Luis (44)


Ja. In der Welt der Dualität wird es immer Leiden geben. Das Thema ist nur, wie wir damit umgehen. Meistens sind wir aus Unwissenheit gefangen in einer Welt der täglichen Sorge, nehmen alles und uns zu wichtig und halten an ganz bestimmten Vorstellungen fest. Unwissenheit und Angst machen uns blind. Wir leiden. Erst wenn wir erkennen, daß diese Art von Leiden unnötig ist, daß wir uns öffnen und vertrauen können, daß die tägliche Sorge auch spielerisch zu meistern ist, unsere Vorstellungen bloß kontextbedingt und subjektiv sind, dann erscheint die Welt in einem anderen Glanz und das Leiden relativiert sich. Wir "wissen", daß das Leid uns etwas sagen möchte und daß wir dieses Leid meistern können. Leiden wir aus Unwissenheit (das macht keinen Sinn, ist brutal, wir verfallen in Agonie und Regression) oder leiden wir "wissend" (das macht Sinn, ist gesund, kann uns zu geistigem Wachstum führen)? Ich denke, das macht den Unterschied.

12.12.97, Gerd (42)


Leiden kann nur dann Sinn machen, wenn der Mensch damit ein Ziel im dialektisch-materialistischen Sinn erreichen will und dieses nur dadurch erreichbar ist/scheint. Wichtig erscheint deren dialektische Offenbarung. Oft genug wurde diese Leidensfähigkeit ausgenutzt, sieht man z.B. auf die Religionsgeschichte. Selbstgeißelungen, Schmerzen, Unterwerfungen, Unterdrückung wohin man guckt. Aber auch die Politik heute bietet dazu ein Beispiel: Je länger und je mehr die Regierung ihren Sparzwang in den Medien absondert, desto mehr werden die Menschen verunsichert und fallen darauf herein, noch zu wenige bedenken, in welch reichem Land wir sind und wie gerade heute abkassiert wird auf Kosten der Bevölkerung. Wo das Leiden zum System wird, werden Kämpfe und Zukunftswerkstätten zur Pflicht. - Bei schweren, körperlichen Schmerzen geht's natürlich um was anderes.

12.12.97, Bernhard (33)


Eindeutig ja. Das Leiden zwingt uns zum Innehalten, zum Nachdenken, zum Reagieren, zur Veränderung. Wenn man aus seinem Leiden nichts lernt, leidet man immer weiter. Es wird schier unerträglich. - Weiter im Leben brachten mich immer die Punkte an denen es erst mal nicht weiter ging.

12.12.97, Hans-Dieter (37)


Ja, wenn ich bedenke daß Leiden Lernprozesse auslösen kann, die wiederum zu Glück verhelfen und weiters Leid vermindern.

Nein, wenn ich mich frage was die Ursache von leidensvollen Daseinsformen überhaupt ist. Da spüre ich, daß die Antwort jenseits meiner Realitätliegt. Ganz praktisch gesehen war ich - nachher - vor kurzem froh über die Änderungen, die eine Krankheit in mir auslöste. Ich kam von einem überdrehten, der Alltagshetze verfallenen Geisteszustand wieder zu meiner Mitte zurück. Das war den Schmerz der Krankheit allemal wert.

14.12.97, Rainer (37)


Was bewegt uns Menschen dazu, uns mit unserer menschlichen Weiterentwicklung zu beschäftigen ? Was zeigt uns am intensivsten, wenn wir auf dem falschen Weg sind ? Was ruft die stärksten transpersonalen Empfindungen hervor? - Nur der, der leidet findet irgendwann dahin, daß sich in seinem Leben etwas
andern muß.

15.12.97, Harald (40)


Nein, absolut keinen. Die Affirmation des Leidens, die Zuschreibung von Sinn, ist immer noch eine Art der Übereinkunft, mit dem, was mich leiden macht. Erst die radikale Absage an diese Übereinkunft ermöglicht den Vorschein von dem, was Glück sein könnte.

15.12.97, Wolf (?)


Obwohl ich an Gott glaube, könnte es sein, daß Leiden ohne Zutun des Leidenden wirklich sinnlos ist. Es gibt Momente während des Leidens, wo die Sinnlosigkeit übergroße Ausmaße annimmt. Es ist die Kunst einen überzeugenden Sinn zu finden, vielleicht zu erfinden. Im Leiden ein höheres, gutes Prinzip zu entdecken, kann zur Relativierung und Linderung des Leides führen. Ich glaube ohne mein persönliches Schicksal hätte ich nie so viel Verständnis und Verbundenheit zu kranken und schwachen Menschen gefunden.

20.12.97, Rainer (36)


Da es unabhängig von unserem Bewußtsein keinen Sinn gibt, hängt es nur von dem Betroffenen ab, ob für ihm Leiden einen Sinn hat oder nicht. Wenn das Leiden ihn z.B. dazu bringt sich diese Frage zu stellen, kann man annehmen, daß es für ihn einen Sinn hat. Oder hat die Frage selbst auch keinen Sinn?

23.12.97, Carmen (29)


Ja

28.12.97, Andrea (35)


Ich denke bzw. kann ich dies aus eigener Erfahrung sagen, dass das Leiden (leider, ha) einem immer wieder Erkenntnis bringt und einem reifen lässt. Ich finde aber nicht nur das Leiden, sondern auch die Liebe kann einem weiterbringen. Ich bin mir noch nicht ganz dieser ob dies individuell ist oder evtl. wirklich ein quasi kollektives Gesetz ist.

28.12.97, Ruth (38)


Wenn ich erkenne, daß ich aus diesem Leiden lerne, hat dieses Leiden einen Sinn.

3.1.97, Sylvia (?)


Leiden ist ein Gefühl/Empfindung des Getrenntseins. Das Bewußtsein ist geteilt. Das Ichgefühl ist nicht im Zentrum der Energie, ein Teil des selbst ist abgespalten. Aufgabe ist, die Ganzheit. Dies geschieht durch Bewußtwerdung.

4.1.98, Liane (45)


Leiden hat sicherlich dann Sinn, wenn man es schafft, aus einer Leidensphase mit neuen, positiven Energien herauszukommen und Veränderungen vorzunehmen.

5.1.98, Heidi (45)



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© 1998 Friedhelm Pielage